Schild übersehen - kein Fahrverbot
Dieses Urteil wird manchen Führerschein retten: Wer nachweisbar ein Temposchild nicht beachtet hat, weil er es nicht sehen konnte, kommt möglicherweise um das Fahrverbot herum. Das hat das Amtsgericht Potsdam entschieden.
Viele Autofahrer rechnen mehr oder weniger damit, irgendwann auch mal wegen eines Tempoverstoßes verwarnt zu werden. Insoweit sind derartige „Verkehrssünden“ noch zu verschmerzen. Kritisch (und gefährlich zugleich) wird es allerdings, wenn das gemessene Tempo deutlich über dem Limit liegt, unabhängig davon, ob innerhalb einer geschlossenen Ortschaft oder außerorts geblitzt wurde. Dann steigt nicht nur das Bußgeld deutlich an. Hinzu kommen noch ein bis zwei Punkte im Verkehrszentralregister – oder gar ein zeitlich begrenztes Fahrverbot.
In der Stadt genügt eine Überschreitung von 31 bis 40 km/h für ein einmonatiges Fahrverbot. Wer schon mal erwischt wurde, muss – im Wiederholungsfall - schon bei 26 km/h mehr seinen Führerschein für einen Monat bei der Polizeibehörde deponieren.
Außerorts sind die Grenzen ähnlich: Zwischen 26 und 40 km/h im Wiederholungsfall und ab 41 km/h auf jeden Fall: Fahrverbot und ein bis zwei Punkte.
Maßgebend für das Fahrverbot ist der § 24 des Straßenverkehrsgesetzes. Dieser, so die Juristen der D.A.S-Rechtsschutzversicherung, die dieses Urteil veröffentlichte, spricht von einer „grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Fahrzeugführers“.
Der Fall: Ein Taxifahrer war auf der Landstraße bei erlaubten 70 km/h mit 111 km/h geblitzt worden. Vor Gericht sagt er, nach dem Schild 80 km/h sei er hinter einem Post-Lastwagen hinterher gefahren bis er das Schild für die Aufhebung von Tempo 80 gesehen habe. Danach habe er überholt. Doch schon 31 Meter hinter diesem Schild wurde das Tempo wieder gedrosselt – wegen Wildwechsels auf Tempo 70. Mithin wären bei 41 km/h Überschreitung zwei Punkte und ein Fahrverbot zu verhängen.
Das Amtsgericht sah vom Fahrverbot ab und erklärte, dass die vom Taxifahrer geschilderte Situation der Wahrheit entspreche. Das einmalige Übersehen eines einseitig aufgestellten Verkehrszeichens, weil dies verdeckt gewesen sei, könne als sogenanntes Augenblicksversagen bezeichnet werden und Ergebnis einer kurzen, einmaligen Unaufmerksamkeit, wie sie jeder gelegentlich erlebe. Ein Fahrverbot solle ein Denkzettel für Fahrer sein, die besonders grob gegen Verkehrsregeln verstießen. Dies sei dem Taxifahrer hier nicht vorzuwerfen.
Dass solche Situationen fast alltäglich sein können, zeigen unsere Fotos von einer Baustelle in Ludwigsburg. Hier wurde mit einer versteckten Kamera gemessen, etwa 35 Meter nach dem Tempo-Schild 20 km/h. Beide Schilder waren in bestimmten Situationen für Autofahrer nicht sichtbar.
(AG Potsdam, 23.1.2017, Az 88 OWi 4131 JS 34510,16)