Diesel-Bullis mögen keine kalte Sülze
Temperaturstürze und eisiger Wind bringen die Motoren reihenweise zur Strecke. Falsche Mittel führen schnell zu schweren Schäden.
Nach einigen milden Wintern zeigt uns die Natur jetzt mal wieder die eiskalte Schulter. Bei 15 bis 20 Grad unter null leidet auch bewährte Technik. Sie streikt oder zieht sogar Autos aus dem Verkehr – sofern ihre Diesel-Motoren nicht geschützt sind. Dann macht das im Kraftstoff enthaltene Paraffin den Laden dicht. Es flockt aus und bildet beispielsweise im Filter dicke Propfen, der Motor verschluckt sich, ruckelt und bleibt plötzlich stehen.
Die Winter vergangener Jahre waren teilweise echte Härtetests für Nutzfahrzeuge: -20 Grad Celsius und noch tiefere Temperaturen führten Motoren an deren Belastungsgrenze und darüber hinaus. Reihenweise taten Fahrzeuge keinen Muckser mehr. Zeit und Geld bleiben auf der Strecke und das Vehikel am Straßenrand oder im Carport.
Ein Problem, das nur mit Dieselkraftstoff betriebene Fahrzeuge betrifft. „Wenn es kalt wird, versulzt der Diesel“, erklärt Harry Hartkorn vom Ulmer Motoröl- und Additiv-Spezialisten Liqui Moly. Schuld hat das Paraffin, ein im Diesel enthaltenes Wachs. Im Sommer stört es nicht im Geringsten. Aber bei Kälte wird das flüssige Wachs fest. Es kristallisiert aus und diese Kristalle verstopfen den Kraftstofffilter. Dann bekommt der Motor keinen Sprit mehr und streikt. Kein Grund zur Beunruhigung, da in der Regel im Winter nicht so kälteempfindlicher Winterdiesel verkauft wird.
Prinzipiell gibt es in Deutschland drei Dieselqualitäten. Sommerdiesel, dessen Filtrierbarkeitsgrenze (CFPP-Wert) bei 0 Grad Celsius liegt, darf laut Gesetzgeber nur bis Ende September verkauft werden. Von Oktober bis Mitte November gibt es Übergangsdiesel (CFPP-Wert bei -10 Grad). Ab Mitte November sollte bis Ende Februar an allen Tankstellen in Deutschland Winterdiesel erhältlich sein. Dessen Filtrierbarkeitsgrenze lliegt bei -20 Grad Celsius. Von Anfang März bis Mitte April ist wieder Übergangsdiesel an den Tankstellen verfügbar. In manchen Gegenden Europas, darunter in Skandinavien, gibt es Polardiesel für extrem kalte Witterung.
Warum kam es dann in den letzten Tagen zu so vielen Diesel-Pannen? Es war der Temperatursturz – und vermutlich auch ein „Corona-Effekt“. Dazu ein Beispiel: Ein Bulli wurde letztmals im Oktober getankt, offenbar mit Übergangsdiesel. Da er nur wenige hundert Kilometer gefahren worden war, ist der Oktober-Sprit jetzt im Februar nicht gegen -20 Grad geschützt.
„Wenn Winterdiesel nicht verfügbar ist oder ein kräftiger Temperatursturz droht, schafft Diesel-Fließ-Fit von LIQUI MOLY Abhilfe“, so Hartkorn. „Je nach Qualität des Dieselkraftstoffes macht das Konzentrat diesen für Temperaturen von bis zu minus 31 Grad Celsius fit.“ Die Wirksamkeit des Fließverbesserers ist abhängig von der Paraffinart und dem Paraffingehalt der Mitteldestillate. In Abhängigkeit von der Kraftstoff-Qualität wird die Filtrierbarkeitsgrenze, Could Filter Plugging Point (CFPP) genannt, um bis zu -10 Grad Celsius verbessert. Einfach möglichst direkt vor dem Tanken einfüllen. So vermischt sich der Zusatz am besten mit dem Dieselkraftstoff. Ein Fließverbesserer ist das ideale Rüstzeug für Dieselfahrzeuge, die im Freien stehen. Wichtig ist nur, dass Diesel-Fließ-Fit zugegeben wird bevor der Diesel versulzt. Das Produkt ist im Kfz-Zubehörhandel, in den Autoabteilungen von Bau- und Warenhäusern sowie im Internet erhältlich.
Gefährliche Experimente bleiben lassen
Wer vom Winter tatsächlich eiskalt erwischt wurde und sein Fahrzeug nicht mehr flott kriegt, weil der Diesel versulzt ist, dem sollte jede Werkstatt zur Geduld raten. Es gibt nur eine Lösung: Abwarten, bis der Sprit wieder „auftaut“. „Am besten funktioniert das in einer beheizten Garage. Keinesfalls sollte man den Diesel mit Benzin oder Petroleum verdünnen, um ihn wieder flüssig zu machen“, warnt Hartkorn. Moderne Selbstzünder vertragen diese Mischung nicht. Es drohen Schäden an der Einspritzanlage und der Kraftstoffpumpe. Auch Experimente mit einem Gasbrenner zum Anwärmen des Tanks oder der Kraftstoffleitung sind gefährlich. Im schlimmsten Fall kann dabei das Auto abbrennen.
Nach Ansicht des ADAC ist die Mineralölindustrie aufgefordert, im Winter ausnahmslos Diesel anbieten, der auch bei Fahrzeugen ohne Filterheizung bis mindestens minus 20 Grad Celsius die Funktionsfähigkeit garantiert. Die Autoindustrie ihrerseits muss dafür Sorge tragen, dass Dieselfahrzeuge auch bei extremer Kälte zuverlässig funktionieren. Neue Fahrzeuge müssen so ausgerüstet sein, dass sie auch bei sehr niedrigen Temperaturen (mindestens minus 25 °C) betriebsbereit sind. Dies ist zum Beispiel mit einer leistungsfähigen Filterheizung problemlos möglich.